Dienstag, 4. Dezember 2007

Den Finger direkt in die Wunde gelegt...

Edith Jaksch, ihres Zeichens studierte Statistikerin und (Mit-) Gründerin der österreichischen Marktforschungsagentur Jaksch & Partner, hat in einem Interview mit dem Online-Magazin CHiLLi.cc auf ebenso drastische wie vernichtende Art und Weise auf einige Probleme in der modernen Marktforschung hingewiesen, über die ich in diesem Blog (wenn auch in deutlich zahmerer Sprache) auch schon gelegentlich berichtet habe.

Als "Leidensgenosse", der sich in der Welt der Marktforschung auch schon über viele geschönte Statistiken und unsaubere Praktiken ärgern musste, war die Lektüre des Interviews, insbesondere
dieses Abschnitts, für mich ein wahres Vergnügen. Wer sich schon immer gefragt hat, warum einem bei den "Marktforschungs-Profis" in der Regel auffallend wenige Mathematiker oder Statistiker begegnen, findet die Antwort in diesem Interview, aus dem ich nachfolgend einen kurzen Abschnitt zitieren möchte:

"Es klingt vielleicht komisch, aber die großen Meinungsforschungsinstitute haben fast gar keine Statistiker. Meistens arbeiten dort Betriebswirtschaftler mit Marketingausbildung, teilweise auch Psychologen, die sich zumindest ein wenig mit Statistik auskennen. [...] Ein Bekannter von mir ist Statistiker und hat kurz bei einem Marktforschungsinstitut gearbeitet. Er hat aber nach zwei Wochen wieder aufgehört, mit der Begründung: 'Dafür habe ich nicht studiert.' Jedes Mal wenn er versucht hat, auf Fehler aufmerksam zu machen, war die Antwort, dass alles aus Vergleichsgründen so bleiben muss. Das heißt, um ihre eigenen Daten untereinander vergleichen zu können, machen sie einfach immer dieselben Fehler. Das kann’s ja auch nicht sein."
[
Link zur Originalquelle]

Dieser Fundamentalkritik kann ich mich nur anschließen. Zum Glück sind meine Kunden in der absoluten Mehrzahl stets an wissenschaftlich sauberen Ergebnissen interessiert, so dass mir das Problem der "Vergleichbarmachung" durch absichtlichen Fehlereinbau erst selten begegnet ist - aber selbst in dem einen Jahr, in dem ich bislang als freier Berater in Sachen Statistik unterwegs bin, habe ich schon mehrere solcher Anfragen auf den Tisch bekommen. Von meinen Kollegen und Bekannten in den großen Agenturen im Konsumgüter-Bereich musste ich mir inzwischen erklären lassen, dass solche Praktiken in der "professionellen Marktforschung" leider nicht die Ausnahme, sondern ganz klar die Regel darstellen. Auch wenn es mich freut, mit meinen Dienstleistungen und für meine Kunden ein wenig gegen diesen Strom schwimmen zu können, ist es doch enttäuschend, an wie vielen anderen Stellen genau so gearbeitet wird - hier legt Frau Jaksch den Finger direkt in die schmerzende Wunde...


Allen Leidensgenossen aus der Markt- und Meinungsforschung kann ich nur empfehlen, diesen
lesenswerten Artikel in Gänze zu konsumieren. Es ist selten, dass die Probleme der Branche so deutlich benannt werden - mein Dank gilt daher an dieser Stelle Frau Jaksch für den Mut, die Dinge beim Namen zu nennen und sich gegen solche verfälschenden Praktiken auszusprechen.

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