Vor nunmehr gut einem Jahr – genauer gesagt am 01.11.2006 – startete das Experiment „Statistikberatung“. Ziel war es, den Marktbedarf für statistisch fundierte Beratungsdienstleistungen auszuloten und zu nutzen. Angesichts der vielen „schnell schnell“-Marktforschung, bei der die Ergebnisse schon nach Tagen (oder im Extremfall sogar nach Stunden) erwartet werden, und bei der die statistische Genauigkeit angesichts der wirtschaftlichen Zwänge oft in den Hintergrund tritt, trat ich mit dem Anspruch an, meine Aufträge nicht noch schneller abzuarbeiten oder mit noch mehr Style präsentieren zu wollen, sondern statt dessen mathematisch saubere und exakte Markt- und Meinungsforschung zu betreiben. Den Kunden sollte mehr geboten werden als eine schnelle deskriptive Auswertung, ein paar schicke Grafiken und ein paar Koeffizienten oder Testverfahren – statt dessen bestand (und besteht) mein Angebot darin, mit Hilfe von komplexen, multivariaten Verfahren wie der Varianzanalyse, der Clusteranalyse oder der Faktorenanalyse den Zusammenhängen in den Daten auf den Grund zu gehen und die verborgenen Datenschätze zu heben und gründlich auszuwerten.
Nach einem Jahr kann man dieses Experiment rückblickend nur als gelungen bezeichnen. Für eine Dienstleistung, die aus Kostengründen nur online beworben und zudem nur nebenberuflich – und dadurch mit zeitlichen Einschränkungen – durchgeführt wird, fanden sich erstaunlich viele Interessenten und auch Kunden, wobei die meisten genau der Gedanke bewegte, der mich ebenfalls zur Gründung motiviert hatte: Wir wollen weg von der schnellen, sterilen und auf Style und Schein getrimmten Marktforschung und hin zu echter Datenanalyse, statistisch sauber und mathematisch fundiert. Die meisten Kunden zeigten sich mit dieser Erfahrung zufrieden und gemeinsam mit ihnen gelang mir eine interessante Feststellung: Ohne meinen Kollegen von einigen der größeren Marktforschungs-Unternehmen zu nahe treten zu wollen (denn natürlich gibt es da einige, die geradezu exzellente Arbeit leisten) – eine andere Art von Marktforschung ist möglich, eine, die über oberflächliche „schnell schnell“-Analysen hinausgeht und bei der statt auf die modisch gegeelte Haarpracht des Präsentierenden oder den perfekt eingeübten Smalltalk mit dem Kunden wieder mehr Wert auf Ergebnisse gelegt wird, die das Label „repräsentativ“ auch wirklich verdienen – oder darauf, wirklich alles aus den Daten herauszuholen, was darin verborgen ist, auch wenn es vielleicht zwei Tage länger in Anspruch nimmt...
Mir ist bewusst, dass die momentanen wirtschaftlichen Zwänge im Marktforschungs-Business diese Form der Marktforschung nicht immer zulassen – was schade ist, denn dem Kunden entgeht durch die Konzentration auf Oberflächliches und Look viel mehr, als ihm vermutlich bewusst ist. Dennoch besteht ganz klar ein Bedarf an solchen Dienstleistungen – und damit eine Marktlücke, die ich nur zu gern zu füllen bereit bin, auch wenn die Lücke – und dies ist wohl die wichtigste Erkenntnis des vergangenen Jahres – sehr viel größer ist, als dass mein kleines Angebot sie jemals schließen könnte. Darum wendet sich mein Fazit vor allem an all die Markt- und Meinungsforscher da draußen, die sich in den letzten Jahren auch darüber geärgert haben, dass mehr und mehr Zeit und Aufwand auf die Präsentation der Ergebnisse verwendet werden, als auf die Datenanalyse selbst, an all diejenigen die wissen, dass aus den Daten oft noch viel mehr herauszuholen wäre, wenn man analytisch nur etwas weiter gehen würde, und an all diejenigen, denen der inflationäre Gebrauch von Begriffen wie „repräsentativ“ und „signifikant“ auch in gänzlich unpassenden Situationen gehörig an den Nerven zehrt: Wer sich in einer Position befindet, in der er oder sich etwas an diesen Mißständen ändern kann, möge es ruhig versuchen – es lohnt sich....
Welche Empfehlungen für die Personalverantwortlichen ergeben sich aus diesen Erkenntnissen? Vielleicht sollten die statistischen Methodenkenntnisse und die analytischen Fähigkeiten eines Bewerbers wieder eine größere Rolle spielen als das perfekte Styling, der ansprechende Smalltalk oder die nervliche Belastbarkeit in fachfremden und völlig überspitzten „Assessment Centern“. Möglicherweise ist es auch unwirtschaftlich, Absolventen jahrelang als Praktikanten und Trainees an der kurzen Leine zu halten (wie ich dies bei einigen meiner ehemaligen Studienkollegen erleben durfte) – nur um sie dann durch neue Praktikanten und Trainees zu ersetzen. Gute Leute wachsen mit der Zeit in ihre Aufgaben und zehn Jahre Berufserfahrung sind dem Kunden gegenüber sehr leicht als Gewinn zu vermitteln. Apropros Berufserfahrung: Vielleicht sollte man auch dem Jugendwahn gegenüber einmal eine kritische Haltung einnehmen und Mitarbeiter über 40 nicht verstecken oder downsizen. Welcher Umstand könnte bloss zu der irrigen Annahme verleiten, jüngere Menschen könnten automatisch besser rechnen? Eine bessere Figur bei der Präsentation geben sie ja vielleicht ab – aber ist das wirklich die Kernkompetenz, auf die es ankommt?
Vielleicht sollten man auch mal aus eigenem Antrieb überprüfen, ob weiterführende Analysen wie Korrespondenz- oder Faktorenanalyse für einen vorliegenden Datensatz sinnvoll erscheinen – und sie dem Kunden vorschlagen, nachdem man zu einem positiven Ergebnis gelangt ist. Mir ist durchaus bewusst, dass dies in vielen Fällen dazu führen wird, dass man 30 kostbare Minuten damit verbringt, die Voraussetzungen für ein Analyseverfahren zu überprüfen, nur um festzustellen, dass es eben nicht durchführbar ist – und man demzufolge dem Kunden auch nichts anbieten kann, wofür dieser etwas zahlen würde. Aber was ist mit all den Datensätzen, aus denen sich mehr herausholen lässt als bloss ein paar Kreisdiagramme und ein dutzend Prozentwerte? Hat nicht der Auftraggeber dieser Befragung irgendwo ein Recht darauf, dass aus seinen Daten alles herausgeholt wird, was sich darin finden lässt? Vielleicht, ja vielleicht sollte man sogar so weit gehen, mit Begriffen wie „repräsentativ“ oder „statistisch signifikant“ wieder etwas vorsichtiger umzugehen und sie nur dort zu verwenden, wo sie wirklich inhaltlich angebracht sind. Mit Kunden, die einem daraufhin vielleicht abzuspringen drohen, weil sie bei der Konkurrenz ein „repräsentativeres“ oder „signifikanteres“ Ergebnis für ihr Geld bekommen, kann man durchaus auch reden und ihnen die mathematischen Sachverhalte darlegen....
Dies bringt mich zur letzten Erkenntnis dieses Jahresrückblicks, in der sich eine Empfehlung verbirgt, die bei näherem Hinsehen natürlich nur als frommer Wunsch zu werten ist: Vielleicht sollte man die Statistik hinter der Marktforschung auch ein wenig „de-mystifizieren“ und mit dem Kunden offener umgehen, sowohl was eventuelle Probleme in der Analyse, als auch was die saubere und ehrliche Interpretation der Ergebnisse betrifft. Manch einer denkt möglicherweise, der durchschnittliche Kunde sei gar nicht in der Lage und/oder nicht daran interessiert, etwas über die Statistik zu lernen, so dass beiden Seiten mit einer schicken Präsentation viel besser gedient ist – aus meiner Erfahrung eine Fehleinschätzung, denn viele Kunden interessieren sich sehr wohl für Details – gerade wenn es um ihr Unternehmen, ihre Produkte und ihre Marktposition geht. Manch einer mag sogar denken, dass es der Branche hilft, wenn man um die mathematischen Hintergründe ein großes Mysterienspiel veranstaltet, bei dem Worte wie „repräsentativ“ und „signifikant“ vom forschenden Experten der staunenden Zuhörerschaft zugeraunt werden, gerade so, als spräche man vom Heiligen Gral. Am Ende könnte ja so ein Kunde noch auf die Idee kommen, seine Marktforschung künftig selbst zu betreiben – eine gräuliche Vorstellung, die aber volkswirtschaftlicher Unsinn ist. Die meisten Menschen könnten ihr Brot vermutlich auch selbst backen, und gehen trotzdem noch zum Bäcker....
Solange sich bezüglich dieser Punkte in der Branche nichts ändert – und damit rechne ich persönlich eher wenig – freue ich mich über jeden Kunden, dem eine gründliche Analyse wichtiger ist als schnelle und bunte Ergebnisse. Nach einem Jahr konsequent wissenschaftlich gehaltener Analysen, kann ich im Grunde nur drei Dinge mit Bestimmtheit feststellen: Dass (1) das Experiment „Statistikberatung“ geglückt ist, ich mich (2) auf das nächste und übernächste und alle noch folgenden Jahre als freiberuflicher Statistik-Consultant mehr denn je freue und ich (3) auch weiterhin in diesem Blog über alle Erkenntnisse und Kuriositäten berichten werde, die sich mir auf diesem Weg noch offenbaren.
Nach einem Jahr kann man dieses Experiment rückblickend nur als gelungen bezeichnen. Für eine Dienstleistung, die aus Kostengründen nur online beworben und zudem nur nebenberuflich – und dadurch mit zeitlichen Einschränkungen – durchgeführt wird, fanden sich erstaunlich viele Interessenten und auch Kunden, wobei die meisten genau der Gedanke bewegte, der mich ebenfalls zur Gründung motiviert hatte: Wir wollen weg von der schnellen, sterilen und auf Style und Schein getrimmten Marktforschung und hin zu echter Datenanalyse, statistisch sauber und mathematisch fundiert. Die meisten Kunden zeigten sich mit dieser Erfahrung zufrieden und gemeinsam mit ihnen gelang mir eine interessante Feststellung: Ohne meinen Kollegen von einigen der größeren Marktforschungs-Unternehmen zu nahe treten zu wollen (denn natürlich gibt es da einige, die geradezu exzellente Arbeit leisten) – eine andere Art von Marktforschung ist möglich, eine, die über oberflächliche „schnell schnell“-Analysen hinausgeht und bei der statt auf die modisch gegeelte Haarpracht des Präsentierenden oder den perfekt eingeübten Smalltalk mit dem Kunden wieder mehr Wert auf Ergebnisse gelegt wird, die das Label „repräsentativ“ auch wirklich verdienen – oder darauf, wirklich alles aus den Daten herauszuholen, was darin verborgen ist, auch wenn es vielleicht zwei Tage länger in Anspruch nimmt...
Mir ist bewusst, dass die momentanen wirtschaftlichen Zwänge im Marktforschungs-Business diese Form der Marktforschung nicht immer zulassen – was schade ist, denn dem Kunden entgeht durch die Konzentration auf Oberflächliches und Look viel mehr, als ihm vermutlich bewusst ist. Dennoch besteht ganz klar ein Bedarf an solchen Dienstleistungen – und damit eine Marktlücke, die ich nur zu gern zu füllen bereit bin, auch wenn die Lücke – und dies ist wohl die wichtigste Erkenntnis des vergangenen Jahres – sehr viel größer ist, als dass mein kleines Angebot sie jemals schließen könnte. Darum wendet sich mein Fazit vor allem an all die Markt- und Meinungsforscher da draußen, die sich in den letzten Jahren auch darüber geärgert haben, dass mehr und mehr Zeit und Aufwand auf die Präsentation der Ergebnisse verwendet werden, als auf die Datenanalyse selbst, an all diejenigen die wissen, dass aus den Daten oft noch viel mehr herauszuholen wäre, wenn man analytisch nur etwas weiter gehen würde, und an all diejenigen, denen der inflationäre Gebrauch von Begriffen wie „repräsentativ“ und „signifikant“ auch in gänzlich unpassenden Situationen gehörig an den Nerven zehrt: Wer sich in einer Position befindet, in der er oder sich etwas an diesen Mißständen ändern kann, möge es ruhig versuchen – es lohnt sich....
Welche Empfehlungen für die Personalverantwortlichen ergeben sich aus diesen Erkenntnissen? Vielleicht sollten die statistischen Methodenkenntnisse und die analytischen Fähigkeiten eines Bewerbers wieder eine größere Rolle spielen als das perfekte Styling, der ansprechende Smalltalk oder die nervliche Belastbarkeit in fachfremden und völlig überspitzten „Assessment Centern“. Möglicherweise ist es auch unwirtschaftlich, Absolventen jahrelang als Praktikanten und Trainees an der kurzen Leine zu halten (wie ich dies bei einigen meiner ehemaligen Studienkollegen erleben durfte) – nur um sie dann durch neue Praktikanten und Trainees zu ersetzen. Gute Leute wachsen mit der Zeit in ihre Aufgaben und zehn Jahre Berufserfahrung sind dem Kunden gegenüber sehr leicht als Gewinn zu vermitteln. Apropros Berufserfahrung: Vielleicht sollte man auch dem Jugendwahn gegenüber einmal eine kritische Haltung einnehmen und Mitarbeiter über 40 nicht verstecken oder downsizen. Welcher Umstand könnte bloss zu der irrigen Annahme verleiten, jüngere Menschen könnten automatisch besser rechnen? Eine bessere Figur bei der Präsentation geben sie ja vielleicht ab – aber ist das wirklich die Kernkompetenz, auf die es ankommt?
Vielleicht sollten man auch mal aus eigenem Antrieb überprüfen, ob weiterführende Analysen wie Korrespondenz- oder Faktorenanalyse für einen vorliegenden Datensatz sinnvoll erscheinen – und sie dem Kunden vorschlagen, nachdem man zu einem positiven Ergebnis gelangt ist. Mir ist durchaus bewusst, dass dies in vielen Fällen dazu führen wird, dass man 30 kostbare Minuten damit verbringt, die Voraussetzungen für ein Analyseverfahren zu überprüfen, nur um festzustellen, dass es eben nicht durchführbar ist – und man demzufolge dem Kunden auch nichts anbieten kann, wofür dieser etwas zahlen würde. Aber was ist mit all den Datensätzen, aus denen sich mehr herausholen lässt als bloss ein paar Kreisdiagramme und ein dutzend Prozentwerte? Hat nicht der Auftraggeber dieser Befragung irgendwo ein Recht darauf, dass aus seinen Daten alles herausgeholt wird, was sich darin finden lässt? Vielleicht, ja vielleicht sollte man sogar so weit gehen, mit Begriffen wie „repräsentativ“ oder „statistisch signifikant“ wieder etwas vorsichtiger umzugehen und sie nur dort zu verwenden, wo sie wirklich inhaltlich angebracht sind. Mit Kunden, die einem daraufhin vielleicht abzuspringen drohen, weil sie bei der Konkurrenz ein „repräsentativeres“ oder „signifikanteres“ Ergebnis für ihr Geld bekommen, kann man durchaus auch reden und ihnen die mathematischen Sachverhalte darlegen....
Dies bringt mich zur letzten Erkenntnis dieses Jahresrückblicks, in der sich eine Empfehlung verbirgt, die bei näherem Hinsehen natürlich nur als frommer Wunsch zu werten ist: Vielleicht sollte man die Statistik hinter der Marktforschung auch ein wenig „de-mystifizieren“ und mit dem Kunden offener umgehen, sowohl was eventuelle Probleme in der Analyse, als auch was die saubere und ehrliche Interpretation der Ergebnisse betrifft. Manch einer denkt möglicherweise, der durchschnittliche Kunde sei gar nicht in der Lage und/oder nicht daran interessiert, etwas über die Statistik zu lernen, so dass beiden Seiten mit einer schicken Präsentation viel besser gedient ist – aus meiner Erfahrung eine Fehleinschätzung, denn viele Kunden interessieren sich sehr wohl für Details – gerade wenn es um ihr Unternehmen, ihre Produkte und ihre Marktposition geht. Manch einer mag sogar denken, dass es der Branche hilft, wenn man um die mathematischen Hintergründe ein großes Mysterienspiel veranstaltet, bei dem Worte wie „repräsentativ“ und „signifikant“ vom forschenden Experten der staunenden Zuhörerschaft zugeraunt werden, gerade so, als spräche man vom Heiligen Gral. Am Ende könnte ja so ein Kunde noch auf die Idee kommen, seine Marktforschung künftig selbst zu betreiben – eine gräuliche Vorstellung, die aber volkswirtschaftlicher Unsinn ist. Die meisten Menschen könnten ihr Brot vermutlich auch selbst backen, und gehen trotzdem noch zum Bäcker....
Solange sich bezüglich dieser Punkte in der Branche nichts ändert – und damit rechne ich persönlich eher wenig – freue ich mich über jeden Kunden, dem eine gründliche Analyse wichtiger ist als schnelle und bunte Ergebnisse. Nach einem Jahr konsequent wissenschaftlich gehaltener Analysen, kann ich im Grunde nur drei Dinge mit Bestimmtheit feststellen: Dass (1) das Experiment „Statistikberatung“ geglückt ist, ich mich (2) auf das nächste und übernächste und alle noch folgenden Jahre als freiberuflicher Statistik-Consultant mehr denn je freue und ich (3) auch weiterhin in diesem Blog über alle Erkenntnisse und Kuriositäten berichten werde, die sich mir auf diesem Weg noch offenbaren.
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